Kenia. Meine schönsten Momente zusammengefasst? Unmöglich.

Ich habe lange überlegt und es nicht geschaft auch nur eines aus meinen Erinnerungen heraus zu filtern, weil die gesamte Reise mir so viel mitgegeben und empfinden lassen hat. Es fühlt sich in meiner Erinnerung noch immer, wie ein Traum an, da ich mir davor so lange gewünscht habe diese Chance zu bekommen und als ich dann endlich das go dafür bekam, mitfliegen zu dürften, hat es sich ganz lange surreal und wie ein Witz angefühlt.

Doch möchte ich dennoch versuchen dir einen kleinen Einblick davon zu geben, was ich gelernt und mitgenommen habe.

Die komplette Reise, ist wie in einer Blase gewesen, die komplett durcheinander in meiner Erinnerung geblieben ist. Ich schwöre ich kann nicht genau sagen an welchen Tagen wir was erlebt oder gemacht habe. Doch wenn es etwas gab, das ich mir von Anfang an gesagt habe dann das ich so viel wie auch nur möglich mitnehmen möchte. Und damit sind nicht die Souvenire und kleinen Geschenke für meine Freunde und Familie gemeint, sondern die mentalen Dinge wie Erfahrungen, welche zu den mit schönsten Erinnerungen meines Lebens wurden.

Es gab so viele Momente, in denen ich mich daran erinnern musste, dass ich tatsächlich gerade 9.531km von meinem Zuhause entfernt bin. In einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent. Jedes Mal, wenn ich aber auch nur auf die Straßen und Wege Naivashas und Murungarus ging oder durch die notdürftigen bis hin zu modernen Straßen Nairobis lief, oder aber auch schlussendlich, wenn ich wieder über einem Loch hockte oder einer Giraffe begegnete…, wurde ich ins jetzt zurück katapultiert und bekam eine Seite des Lebens zu sehen, welche ich vorher nur aus Dokus, Erzählungen oder Büchern kannte.

Ich habe auf diesem Abenteuer unglaublich viel für mich mitgenommen und ich fühle mich in so vielen dingen reifer, erfahrener, dankbarer, glücklicher… aber auch unreif, unerfahren, undankbar, wütend und verwirrt. Dies sind nur ein kleiner teil meiner Emotionen, die ich, während unserer Reise und auch noch jetzt empfinde, wenn ich an sie zurückdenke. Sie widersprechen sich doch habe ich genau diese Emotionen und mehr, in einer Intensität empfunden, die ich noch nie so empfand. Trauer war anders, Frust war anders, Wut war anders, glücklich sein war anders… Es ist schwer in Worte zu fassen oder zu definieren. Ich denke das muss jeder Mensch selbst einmal durchlebt haben, um zu wissen, was ich meine, doch um es irgendwie deutlich zu machen; all diese Emotionen waren wie ineinander verwischt, so dass ich gar nicht sicher sagen kann, in welcher Situation ich was genau empfand. Ob sie Gut oder schlecht war, weil beides in ihr widerspiegelte. Ich war glücklich, entsetzt, verwirrt, wütend, traurig alles zusammen und habe mich nicht nur einmal überflüssig und hilflos gefühlt.

Doch ich bin genau dafür so dankbar. Das ich lernen durfte, was es heißt, hilflos zu sein und nicht zu wissen, wie man helfen kann, wie als wir die Kinder der St. Joseph im Slum besuchten oder unsere Gastfamilien in denen die Lebensumstände einfach erschreckend für uns verwöhnte Deutsche Kinder wahren, oder wie es sich anfühlt, wenn man etwas tun konnte das tatsächlich etwas bewirkt, wie unsere Bäume Pflanzaktion im Aberdare Nationalpark (der war so wunderschön und beinahe tropisch Magisch). Aus diesen Erfahrungen habe ich mitgenommen, dass ich Wege finden muss, um meinen Teil in dieser Welt zu finden, um zu helfen, um Lösungen für Probleme zu finden und habe erkannt, wie wichtig es ist das Menschen von genau diesen Umständen Bescheid wissen, um ebenfalls sie dazu zu bewegen, darüber nachzudenken, was sie haben und was sie mit dem tun können, um Menschen ihr Leben zu retten, Freude zu verbreiten und Ängste zu nehmen.

Ich möchte mit ihnen einen sehr persönlichen Eintrag teilen, bei dem ich sehr über mich hinausgewachsen bin und damit ein Erlebnis teilen, das ich in meinem Tagebuch festgehalten habe;

„Liebes Tagebuch,

Wir haben heute einen Besuch an eine gemacht, auf welche Kinder mit Geistig sowie Körperlichen Behinderungen die Chance bekommen, zur Schule zu gehen. Anders als bei uns gibt es dort keine Schulpflicht, zudem werden Menschen, die sich nicht selbst versorgen können, öfters schneller aus Familien und engeren kreisen ausgestoßen. Was verschiedenste Gründe hat aber der am schwerwiegendsten, ist wohl der Grund des Überlebens und das Familien meist kein Geld haben sich um sie zu kümmern. Was es zwar nicht entschuldigt, aber es gibt auch noch keine Lösung für dieses Problem in Afrika.

Ich war heute irgendwie besonders müde von all den Eindrücken und Erlebnissen der letzten Tage und wusste nicht wie ich es überstehen sollte jetzt noch zu lächeln. Es war das allererste Mal, dass ich mich wirklich dafür geschämt habe, nicht ehrlich lächeln zu können. Ich musste die ganze Zeit daran denken, wie ungerecht es ist das so mit ihnen umgegangen wurde und dass die Verhältnisse wo sie Leben, einfach nicht angenehm sein können. Das ist doch kein Zuhause habe ich die ganze Zeit gedacht und das Gefühl heruntergezogen zu werden, wurde immer stärker. Ich konnte nicht begreifen, was um mich herum passiert und habe nicht wahr haben wollen das es, denn Kindern um mich herum, wirklich so Gut geht wie erzählt wurde und dass sie zufrieden sind mit den Umständen wie sie leben. Seit ich das Grundstück betreten hatte, habe ich beinahe durchgängig in meinem Kopf gebetet und habe um Kraft und Stärke gefleht, weil ich mich allein, übermüdet, frustriert, überflüssig und hilflos gefüllt habe und da soll man noch nett, fröhlich und aufgeschlossen sein? Und ich dachte die ganze Zeit darüber nach, wie man diesen Ort zu einem schöneren Platz für diese Kinder machen könnte. Das hat sich die ganze Zeit wie ein Karussell in meinem Kopf gedreht und ich habe so viele Dinge gefunden, die ich neu machen, verändern oder einfach neu bauen lassen würde. Manche Kinder wohnen hier, also währen richtige Schlafplätze und Badezimmer gut zum Beispiel.

Das waren so meine Gedanken und ich habe es nicht geschaft positiver zu denken, vielleicht lag es daran, weil ich die letzten Tage davor schon so vieles ungerechtes gesehen habe oder auch, weil ich einfach das Bedürfnis hatte, helfen zu müssen, weil es ihnen eben nicht so geht wie… ja wie mir. Weil sie nicht aufwachsen wie ich. Doch ich kann nicht helfen, weil ich eben erst 17 bin und kein Geld habe. Und das ist der Grund, warum ich mich so überflüssig und hilflos gefühlt habe. Ich sehe all das und kann nicht helfen. Und meine Gedanken sind auch falsch, weil ich die Bemühung dennoch gesehen habe, um den Kindern die bestmögliche Bildung und ein Dach überm Kopf zu ermöglichen.

Ich weiß noch, wie ich mich so darein gesteigert habe nicht helfen zu können, dass ein Freund schon zu mir Kamm, weil er meinte ich sähe aus, als würde ich gleich wegklappen. Nach einmal durchatmen ging es mir tatsächlich wieder besser und ich bin zurück auf die Wiese zu den anderen gegangen etwas abseits aber mir erst einmal nah genug. Es war so viel Kinder Lachen zu hören und es hat mich glücklich gemacht das die anderen so für diese Kinder da sein konnte. Ich habe mich plötzlich aber wieder schlecht gefühlt, weil ich eben die Energie nicht so aufbringen konnte, als sich plötzlich wie aus dem nichts, eine Kleine Hand in meine geschoben hat und sich festgehalten hat. Mit festem Händedruck. Klein beinahe zerbrechlich klein.  Als ich hinabgesehen habe, stand direkt neben mir, ein kleiner Junge schätzungsweise um die sieben Jahre alt, mit einem Finger im Mund. Er hat mich nicht angesehen, doch irgendetwas in mir ist aufgetaut. Und mir ist etwas schlagartig bewusst geworden.

Der Grund, warum ich nicht ehrlich lächeln konnte, war der, dass ich den Gedanken nicht ertragen konnte das diese Kinder so leiden mussten, für etwas für das sie nichts konnten als sie auf diese Erde kamen. Zudem habe ich nur gesehen, was ich nicht so von zuhause kannte. Ich habe nicht wahrgenommen wie viel Glück diese Kinder mit dem haben, was ihnen dort geboten wird. Wie viel Wunder und Segnung, ihnen mit diesem Ort gegeben wurde.

 Als ich und der kleine Junge etwas abseits von den Tobenden, laut lachenden Kindern standen, die um meine Freunde herumsprangen, mit einer solcher Freude in den Augen die mir erst ab da wirklich richtig bewusstwurde, da wusste ich das ich auch so meinen Teil heute tuen konnte. Ich kann kein Leben ändern oder dafür sorgen, dass sich alles Ungerechte auflöst. Nein, ich kann nicht mehr tuen als diese Hand von diesem Jungen zu halten, bei dem ich im Nachhinein erfuhr, das diesem kleinen Jungen sehr schlimme Dinge widerfuhren. Wenn es eine Sache gibt, die ich heute ganz sicher gelernt habe, dann die, dass ich für jemandem da sein konnte der Zuwendung brauchte und dass es egal ist wie viel man für jemandem tut, solange es etwas ist. Ich war nur für eines dieser Kinder da, auch wenn meiner Freunde es schafften mehren ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Und ich habe mich so sehr gefreut wenigstens für ihn da zu sein. Wir habe gemeinsam erst schweigend die anderen beobachtet und dann habe ich ihm ein deutsches Lied, das mir sehr viel bedeutet vorgesungen und er hat gelächelt. Mehr brauchte ich nicht als Bestätigung dessen, dass ich heute genügend war und meinen teil zu einer Glücklicheren Welt leisten konnte…“

Warum habe ich genau das teilen wollen? Weil ich weiß, dass egal wie groß oder eben klein unsere Taten sind, wir können etwas bewirken und der Wunsch etwas zu bewirken ist der Anfang zu einer besseren Welt.

Ich wünschte ich hätte eine Aufnahme, die ich mir immer wieder aufs Neue angucken kann, in der die komplette reise noch einmal Revue passiert.

In der ich jedes Lachen der Kinder auf der Straße und in den Schulen noch einmal sehen und hören kann, ich jedes Gespräch in meiner Gruppe mit meinen Leuten, noch einmal verfolgen kann, als wir über unsere Highest Highs oder lowest lows der Tage berichteten und einfach zusammen verarbeiteten, was wir gesehen und erlebt haben, in denen so viel gelacht, geweint und gesungen wurde. Oder auch die Begegnungen mit den Kenianern, in denen ich so viel über die Kulturellen Anthropologien des Landes Kenias und auch über die interkulturellen Kompetenzen der Kenianer gelernt habe. Mir war nie so bewusst wie unterschiedlich wir mit unseren Ansichten leben und dass es Dinge gibt, die für mich als selbstverständlich angesehen werden, welche für sie aber nebensächlich bis unrelevant und ungewöhnlich sind.

Ich habe gelernt was es bedeutet einen Moment auszukosten und so viel aus ihm mitzunehmen wie möglich, und habe erfahren das dies mit sehr viel Überwindung und Überwältigung zusammenhängt. Gefühle intensivieren sich genau wie Eindrücke. Und auch ist mir bewusst, dass diese Reise, dieses Abenteuer immer als Erinnerung zu meiner Lebensgeschichte gehört, die ich selbst schreiben darf, wofür ich umso dankbarer bin, wenn man bedenkt, dass es Menschen gibt, die dieses Privileg nicht haben dürfen und können. All diese Erlebnisse machen einen aus und verändern einen und das kann mir auch keiner nehmen. Denn ich möchte nun Part an dieser Welt nehmen und mich für etwas einsetzten das bedeutend ist.

Damit möchte ich meinen Bericht auch schließen und ich hoffe ich konnte euch einen guten Einblick in meine persönlichen Eindrücke und Gefühle vermitteln, welche nun leider schon etwas zurückliegen.

Damit auch von mir ein „Asante Sana“, für das Lesen dieses Teils des Berichtes und ich hoffe ich konnte einen Guten kleinen Einblick in meine Gedanken, bezüglich meiner Erfahrung mit diesem Outgoing geben und konnte dein Interesse wecken, mehr über Kenia oder unsere allgemeine Welt zu erfahren, wo du selbst deine „Kleinigkeit“ tuen und bewirken kannst.

(ein Bericht von Lia-Majken über die Outgoing-Reise 2024)